Recycled Life
Von John McNeil, Übersetzung: Peter Kiesel
Zusammenfassung
Dieter, ein Mann mit niedrigem Selbstwertgefühl, betritt einen Laden
für „Gebraucht-Leben“ um herauszufinden, was er im Austausch für
seine „Mängel“ bekommen kann.
Darsteller
Luzius, Besitzer des Ladens
Dieter,
Händler J.
Script
(Ein Secondhand-Laden namens "Recycled Life", Dieter kommt herein, mit
sich selbst sehr unzufrieden, deprimiert. Er schaut sich um, sieht aber
niemanden.)
Dieter: Hallo, niemand da? (Keine Antwort, Dieter geht im Laden herum
und schaut sich die Artikel an. Nimmt einen Artikel in die Hand, liest
das Etikett) "Ehrgeiz...etwas verbeult, eiliger Verkauf, Besitzer geht
nach Übersee." Hm! (Legt das Objekt zurück, schlendert zum nächsten.
Es ist herzförmig, liest das Etikett.) "Leidenschaft...getragen aber
brauchbar, einige matte Flecken." Um! (Legt das Herz nieder, geht zum nächsten
Artikel (nimmt eine Parfümflasche aus dem Regal) "Joi de vivre...flüchtiger
Duft, ohne Stabilisatoren." (riecht daran.) Gar nicht schlecht, könnt
ich mir vorstellen. (Untersucht die Flasche näher.) Oh...da ist ein
Sprung in der Flasche (stellt es enttäuscht zurück.) Hier muss
es doch irgendetwas geben, das passt.
Dieter: (Während Dieter einen weiteren Artikel betrachtet, bemerkt
er nicht, dass Luzius eintritt) "Sexappeal...Achtung! Käufer muss
im Besitz einer Gefahrengut-Lizenz sein."
Luzius: Einer von unseren Rennern, mein Herr. Möchten Sie eine
Testfahrt (grinst diabolisch)?
Dieter: (erschrickt, versucht zuerst den Artikel zu verstecken, dann
legt er es hastig zurück.) Oh...Ich bin nicht sicher... ob...
Luzius: Vielleicht nicht im Moment... (grinst) Aber wenn nicht
jetzt, wann dann?
Dieter: (nicht sicher wie er sich verständlich machen soll) Sie...,
ich meine, sie verkaufen...
Luzius: Tatsächlich verkaufe ich weder noch kaufe ich. Ich handle.
Wenn sie verkaufen möchten, ich habe einen Cousin zwei Straßen
weiter, der kauft. Aber ich muss ihnen sagen, es gibt eine Menge Leute,
die heutzutage ihre Seele verkaufen wollen, vielleicht bekommen sie nicht
unbedingt das, was sie erwarten, Angebot und Nachfrage, sie verstehen.
Dieter: (Verwirrt, nervös) Nein, nein, nichts dergleichen. Ich
will meine Seele nicht verkaufen, ich habe von den Konsequenzen gehört.
Ich habe einfach nur genug von meinem Leben und laut ihrer Werbung können
sie es gegen ein lebenswertes Leben eintauschen.
Luzius: Sie sind bei mir goldrichtig. Es gibt Schätze im Überfluss
hier im "Recycled Life".
Dieter: Wie funktioniert das? Ich hab keine Preisschilder gesehen.
Luzius: Ganz einfach. Sie sind unzufrieden mit ihrem Leben, sie wünschten
sie wären reich, ein mächtiger Geschäftsmann, ein Frauenheld...?
Dieter: (murmelt) Nur eines davon wäre eine tolle Verbesserung.
Luzius: Menschen geben die Dinge auf, von denen sie die Nase voll haben
in ihrem Leben und übernehmen dafür das, was jemand anders loswerden
möchte.
Dieter: Ich kann nicht glauben, dass irgendjemand auf meine Fehler
scharf ist. Ich bin ein Montagsprodukt. Du meine Güte, ich bin im
Kindergarten durchgefallen. Mein Vater konnte sich nie meinen Namen merken.
In der Schule gehörte ich nie zu den Prügelknaben, ich wurde
immer von den Prügelknaben schikaniert. Ich bin dann weggelaufen,
hinunter zum Hafen, hab mich auf einem Schiff versteckt. Es hat drei Tage
gedauert, bis ich bemerkt habe, dass es ein Fährschiff ist. Verstehen
Sie? Mein größter Erfolg: ich durfte im Weihnachtsspiel den
Esel spielen.
Luzius: Und?
Dieter: Wie “und”?
Luzius: Es überrascht vielleicht, aber viele der sogenannten Reichen
und Berühmten sind genauso unbefriedigt wie sie und wären glücklich
wenn sie ihren Reichtum gegen ein eintöniges, alltägliches Leben
tauschen könnten.
Dieter: Ok, was haben Sie für mich?
Luzius: (zeigt Dieter etwas) Wie wär’s damit?
Dieter: (Liest) "Ruhm, 12 Millionen Euro dazu eine Villa auf den Bahamas.“
Das nehme ich , ich mein’, wenn es noch zu haben ist (zu sich selbst) ich
kann’s nicht glauben.
Luzius: Ja, noch zu haben. Aber hören sie: es hatte drei Vorbesitzer,
der jetzige Besitzer ist...war ein Rockstar, der sich derzeit eine Entziehungskur
macht. Er hat das ständige Medieninteresse nicht verkraftet und sehnt
sich einem einfachem Leben.
Dieter: (Gibt es zurück) Nein danke.
Luzius: Dann vielleicht dieses?
Dieter: (Liest) "Vorstandsvorsitzender mit drei Geliebten“ (Verträumt)
Ich hab’s geschafft! (zu Luzius) Warum möchte jemand das eintauschen?
Luzius: Der betreffende Gentleman hat auch drei Scheidungen hinter
sich und sein Sohn hat Selbstmord begangen. Ich denke, er sucht nun eine
stabile Langzeitbeziehung.
Dieter: Wie viel solche Tauschartikel haben sie noch hier?
Luzius: Mein Handel floriert. Die Welt ist voll von Leuten, die genug
von ihrem Leben haben, zu meinem Glück.
Dieter: (total am Boden) Dann gibt es keine Hoffnung?
Luzius: Geben Sie nicht so schnell auf, ich denke, wir finden...
Luzius (hält inne, schaut auf und sieht, wie eine weitere Person
den Laden betritt. Mein einem erschrocken Blick hastet er zur Tür,
um sie abzuschließen.) Nein, nein, wir haben geschlossen, sie können
nicht hereinkommen (Greift Dieters Arm) Sie wollten gerade gehen, stimmt’s,
mein Herr?.
Händler J.: (ignoriert Luzius und tritt ein) Hallo, Luzius. Ich
kann mir vorstellen, du hast wieder vergessen, deinem Kunden alle Artikel
zu zeigen, nicht wahr?
Luzius: (Bitter) Nicht schon wieder.
Händler J.: (zu Dieter) Ich habe etwas für sie, dass Luzius
meistens nicht erwähnt. Ich habe es hier (gibt es Dieter und bedeutet
ihm das Etikett zu lesen).
Dieter: "Liebe... Freude... Frieden... Geduld..." Wer würde das
alles hergeben? Wo ist der Haken?
Händler J.: Es gibt keinen Haken. All deine Misserfolge, dein
Scheitern, deine Fehler... ich übernehme sie mit Freude und dafür
gebe ich Dir alles, was ich habe.
Dieter: (Schaut fragend zu Luzius) Es ist zu schön um wahr zu
sein, aber wie könnte ich solch einen Handel ausschlagen?
Händler J.: Nun, dann sind wir im Geschäft (legt den Arm
um Dieter und führt ihn hinaus.)
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© John McNeil 2000, German translation, Peter Kiesel, 2002, All
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